Diabetisches Fußsyndrom (DFS)

Bei langjährig Zuckerkranken kommt es häufig zur Ausbildung des diabetischen Fußsyndroms (Diabetischer Fuß), sogar wenn der Zucker gut eingestellt ist. Dabei tritt eine gestörte Durchblutung auf (diabetische Polyneuropathie). Die Empfindungen an den Füßen sind meist strumpfförmig gestört, wodurch sich auch die Balance und Trittsicherheit der Patienten erheblich verschlechtert und das Sturzrisiko steigt. Die Wundheilung ist ebenfalls beeinträchtigt, so dass es in fortgeschrittenen Stadien schon bei kleinen Bagatellverletzungen zu ausgedehnten und schlecht heilenden Wunden kommt.

Ursachen für die Entstehung des Ulcus beim Diabetischen Fuß ist oft ein Druck von innen, z.B. durch Fehlbelastung, Knochenvorsprünge oder Knochenauflösungen, oder von außen, vor allem durch falsches Schuhwerk. Die Verletzungsgefahr durch solche Druckstellen ist deutlich erhöht, da die Wundschmerzen aufgrund der Nervenstörung fehlen. Das Ulkus kann auch direkt als Folge der Nervenschädigung entstehen, z.B. durch die Lähmung der kleinen Fußmuskulatur.

Neuropathie - operative Dekompressionsverfahren

Die Prüfung der Nerven, vor allem der Hautgefühlsempfindung an den Füßen, sollte bei Diabetikern daher mindestens einmal jährlich erfolgen. Sie gibt Aufschluss über das Fortschreiten einer Neuropathie. Bei rechtzeitiger Anwendung der operativen Dekompressionsverfahren kann eine deutliche Verbesserung der Gefühlsstörungen und eine Verminderung der Schmerzen erreicht werden. Auch wenn bereits offene Wunden (Ulzerationen) vorhanden sind und evtl. sogar schon Amputationen erforderlich wurden, ist es häufig sinnvoll, Nerven zu dekomprimieren. Die Nervenentlastung führt oftmals nicht nur zu einer Verbesserung der Gefühlsempfindung an der Fußsohle, sondern auch zu einer besseren Durchblutungssituation. Die operative Entlastung mehrerer Nerven kann häufig helfen, die Symptome des Verlustes der Nervenfasern zu stoppen oder sogar die Nervenregeneration zu fördern. In einer Untersuchung können wir feststellen, ob Sie von einer solchen Operation profitieren könnten.

Amputationen vermeiden

Die aktuellen nationalem Leitlinien der Bundesärztekammer sehen zur Versorgung eines diabetischen Fußsyndromes folgendes vor:

"Vor Amputationen sollten plastisch chirurgische Maßnahmen erwogen werden, die einen Erhalt der betroffenen Extremität ermöglichen. Amputationen sind nicht als primäre Behandlungsmaßnahmen bei schlecht heilenden Ulcera in Betracht zu ziehen."

Vielmehr sollte die Amputation die letzte Maßnahme im Rahmen eines umfassenden Therapiekonzeptes zur Versorgung chronischer Wunden sein. Dabei ist die fachärztlich betreute ambulante Wundpflege die Basis, auf der dann interdisziplinär gefäßchirurgische, orthopädische und plastisch-rekonstruktive Methoden Anwendung finden sollten.

Bei diabetischen Ulcera sollte vor Einleiten einer adäquaten Lokaltherapie immer eine Wundtoilette (Débridement) durchgeführt werden. Damit kann auf verschiedene Art und Weise der Wundgrund für die nachfolgende lokale Wundbehandlung vorbereitet werden. Die Abheilung wird dadurch beschleunigt. Eine Wundtoilette kann chirurgisch, enzymatisch oder biologisch erfolgen. Die chirurgische, also mechanische Säuberung mit dem Skalpell, ist vom Lokalbefund abhängig und kann bis zur Knochenresektion ausgedehnt werden. Darin besteht der wesentliche Unterschied zu allen anderen Arten der Wundreinigung, bei denen nur oberflächlich Gewebsschichten abgelöst werden.

Zu den weiteren Maßnahmen zur Abwendung einer Amputation zählt insbesondere die Druckentlastung des Fußes mit Hilfe eines orthopädischen Schuhs und ggf. die Resektion von druckausübenden Knochenvorsprüngen. Im Akutstadium ist Bettruhe in Verbindung mit einer Hochlagerung des Beins erforderlich, oftmals wird begleitend eine Antibiotika-Therapie erforderlich.

Alle diese Maßnahmen bekommen umso mehr Gewicht, wenn man berücksichtigt, dass in Deutschland 70% aller Amputationen bei Diabetikern durchgeführt werden. Als zeitliche Richtlinie für die Einleitung chirurgischer Maßnahmen können ca. 6 Wochen veranschlagt werden. Lässt sich innerhalb dieses Zeitraumes durch eine konsequente lokale konservative (d.h. ohne Operation) Wundbehandlung kein Wundverschluss erzielen, dann sollten plastisch-chirurgische Methoden zur Defektdeckung zur Anwendung kommen. Zusätzlich kann eine knöcherne Stabilisierung mit einem sog. "Fixateur externe" oder einer inneren knöchernen Stabilisierung mit Schrauben und/oder Platten erforderlich werden.

Plastisch-chirurgische Methoden zur Defektdeckung sind:

  • Spalthauttransplantation bei Wunden mit gutem Wundgrund ohne freiliegende Knochen, Gelenke oder Sehnen
  • Lokale Lappenplastiken. Diese können dann zur Defektdeckung in Erwägung gezogen werden, wenn die größeren durchblutenden Gefäße noch weitgehend durchgängig sind.
  • Sind aber regionale oder lokale Verfahren nicht mehr möglich, können auch mikrochirurgische Techniken angewandt werden, um eine Amputation zu verhindern.
  • Freie Lappenplastiken, ggf. nach gefäßchirurgischer Intervention zur Verbesserung der Durchblutungsverhältnisse.
  • Im Rahmen der Weichteileingriffe zum Wundverschluss führen wir üblicherweise eine Entlastung des Nervs durch, um möglichst die Durchblutung und Gewebeversorgung zu verbessern. Auch kann eine prophylaktische Entlastung des Nervs durchaus sinnvoll sein.

In jedem Fall sollte der Diabetiker mit einem Spiegel regelmäßig die Fußsohle auf kleine Verletzungen oder Druckstellen kontrollieren. Eine regelmäßige klinische Untersuchung der Nervenfunktion ist ebenfalls erforderlich.

Ist eine Amputation nicht mehr vermeidbar, sollte zur Wahrung der Mobilität des Patienten in jedem Fall darauf geachtet werden, einen möglichst langen Teil des Fußes und möglichst viel Fußsohle zu erhalten. So kann die Trittsicherheit nach der abgeschlossenen Operation auf einem bestmöglichen Niveau gehalten werden.