Verletzungen der Beugesehnen

Die anatomischen Verhältnisse in der Handfläche sind kompliziert. Jeder einzelne Finger wird über zwei Beugesehnen, je eine tiefe und eine oberflächliche Sehne, gebeugt. Die Beugesehnen der Finger verlaufen im Bereich der Hohlhand alle in Sehnenscheiden. Diese Sehnenscheiden haben innen einen schleimhautartigen Überzug und erleichtern so das reibungslose Gleiten der Sehnen. Zusätzlich werden die Beugesehnen durch den Ringbandapparat am Knochen geführt, welcher die Sehnen auch bei Anspannung in ihrer vorgesehenen Bahn hält. Die Beugesehnen neigen nach Verletzungen besonders dazu, mit ihrer Sehnenscheide zu verkleben und dadurch in ihrer Funktion beeinträchtigt zu werden. Daher müssen besondere Operationstechniken angewandt und ein erhebliches Augenmerk auf die Nachsorge solcher Verletzungen gelegt werden.

Hinweisend auf eine Mitbeteiligung der Sehnen ist bei Verletzungen der Hand eine unnatürliche Streckhaltung der Finger. Je nach Ausmaß der Verletzung kann der betroffene Finger auch nicht mehr aktiv im End- oder Mittelgelenk gebeugt werden. In einem solchen Fall ist die unmittelbare operative Naht der Sehne anzustreben. Bei Schnittverletzungen, auch wenn sie nur eine kleine Hautöffnung haben, sollten zur Sicherheit alle darunter und in der Nähe liegenden Strukturen entweder klinisch eindeutig oder intraoperativ als unverletzt verifiziert werden.

Um ein Verkleben mit den Sehnenscheiden zu verhindern, müssen die Sehnen frühzeitig nach der Naht bewegt werden. Gleichzeitig sind die Sehnennähte aber nicht belastbar, das heißt sie reißen bei zu früher Zugbelastung in bis zu 10% der Fälle erneut. Eine Beugung der Finger ohne aktiven Zug an den Sehen wird daher postoperativ durch verschiedene Prinzipien realisiert:

Dynamische Schiene nach Kleinert

Eine Möglichkeit stellt die Versorgung der operierten Finger mit der dynamischen Schiene nach Kleinert dar. Dabei wird das Handgelenk mit einer Gipsschiene in leichter Beugestellung fixiert und der Finger über ein Gummiband, das am Fingernagel befestigt wird, in mittlerer Beugestellung gehalten. Streckt der Patient nun aktiv die Finger aus, werden die Finger durch die Gummizüge ohne Kraftaufwendung erneut gebeugt. Die Verwendung der Schiene soll bereits am ersten postoperativen Tag beginnen und die Streckung bis zu einem von der Schiene vorgegeben Grad erfolgen. Hierbei ist es wichtig, dass die Patienten immer wieder tagsüber aber insbesondere auch nachts den Finger aus der Gummizügelfixierung herausnehmen, da sonst oftmals eine Beugekontraktur der betroffenen Finger entsteht, die anschließend nur sehr schwer wieder zu therapieren ist.

early active motion

Eine weitere Möglichkeit ist die "early active motion" - hierbei lernt der Patient unter Anleitung und Entlastungsstellung im Handgelenk frühzeitig vorsichtig aktiv die Sehnen anzusteuern und ohne Belastung zu bewegen.

passive motion

Eine weitere Therapieform ist die "passive motion" - hier wird der Tenodeseeffekt des Handgelenkes ausgenutzt für eine passive Mitbewegung der Finger. Wenn wir ohne Anstrengung nur das Handgelenk bewegen erfolgt bei Beugung des Handgelenkes eine Streckung der Finger und bei Streckung des Handgelenkes eine Beugung der Finger. Hierdurch kann ein gutes Gleiten der Sehnen ohne Belastung durchgeführt werden.

Ausnahmsweise wird der betroffene Finger nur durch den Krankengymnasten oder auch den Patienten passiv gebeugt. Dabei müssen die gesunden Finger ebenfalls in Beugehaltung gebracht werden, um Spannungen auf den Sehnen unbedingt zu vermeiden.

Die Mitarbeit des Patienten ist für den Erfolg der Operation also unbedingt erforderlich. Ist es im postoperativen Verlauf trotz intensiver Krankengymnastik zu Verklebungen gekommen, können diese erst nach 3-6 Monaten durch eine operative Lösung (Tenolyse) beseitigt werden. Eine Zugbelastung der Sehnen ist frühestens 6 Wochen nach der Naht möglich. Nach ca. 3 Monaten sind die Sehnen dann meist wieder voll belastbar.

Zweizeitige Beugesehnenersatzplastik / Sehnentransplantation

War eine direkte Sehnennaht nicht möglich und sind beide Beugesehnen eines Fingers oder die zusätzliche lange Beugesehne des Daumens gerissen, kommen andere Verfahren zur Beugesehnenrekonstruktion zur Anwendung. Bei der Sehnentransplantation wird eine Sehne aus dem Unterschenkel oder Unterarm in die Hand verpflanzt und dort mit dem abgerissenen Sehnenstumpf vernäht und durch den Knochen (transossär) am Fingerendglied befestigt oder mit beiden Sehnenstümpfen vernäht (einzeitige Sehnentransplantation). Die Ergebnisse sind aber nicht so vielversprechend wie bei einer sofortigen Naht glatter Schnittverletzungen, da es häufig zu Rissen der Nahtstelle und zu verstärkten Verwachsungen mit der Folge von fortbestehenden Beugefehlstellungen der Finger kommt.

Da meist auch eine Verletzung/Verklebung der Sehnenscheiden besteht, erfolgt die Rekonstruktion in zwei Etappen (zweizeitig). Zunächst wird quasi als Platzhalter für die fehlende Sehne ein Silastik-Stab eingelegt. Im Laufe der folgenden 6-8 Wochen bildet sich darum ein Sehnenscheiden ähnliches Gleitgewebe. Nach 2-3 Monaten wird dann in einer zweiten Operation das Sehnentransplantat in den neu entstandenen Kanal eingezogen und die Sehnen werden wie oben beschrieben rekonstruiert.

 

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Überblick Handchirurgie.